Tineo

Schmaler Standlautsprecher mit Tang Band W4-657 und Vifa HT NE 250

 


Wirklich kompakte Standlautsprecher gibts im Selbstbau-Kreisen gar nicht mal so häufig. Der am häufigsten gebaute DIY-Lautsprecher dieser Klasse ist vermutlich die Needle in ihren zig Ausführungen. Dann gibt es noch einige TMLs. Diese weisen dann meistens eine kompakte Front auf, haben aber gleichzeitig eine ausladende Tiefe. Manche sprechen dieser Proportionalität ein gewisses Appeal zu (meisten in Form von vermeintlichem WAF - Wife Acceptance Factor - bemessen). Ich bin zwar keine Frau, aber bei rechteckiger Grundfläche finde ich, sieht das einfach nur grausam aus. Das optische Problem wird dann meistens gelöst, indem man die Lautsprecher so aufstellt, dass die Tiefe möglichst nicht auffällt - typischerweise neben einem Schrank, der ja eh schon in den Raum ragt. Dass das akustisch nicht optimal ist, brauch ich dem geneigten Leser sicher nicht erklären. Sehr frühe Reflektionen am Objekt zwischen dem Lautsprecher wirken sich deutlich negativ auf die räumlich Darstellung aus. Stehen die Lautsprecher in einer Ecke, dickt der Grundton unakzeptabel auf.

Einen auch in der Tiefe kompakten Lautsprecher kann man ohne optisch allzu große Verwerfungen auch in den Raum gezogen positionieren. Beim Wegfall eines Viertelwellen-Gehäusekonzepts alá TQWT oder Transmissionline lassen sich bei noch moderatem Volumen auch mehrere kompakte Tieftöner in Bassreflexform verbauen. Gehäuse die in einer Raum-Dimension erheblich ausgedehnter sind als in die Anderen (in diesem Fall ist das die Boxenhöhe), produzieren allerdings massive Längsresonanzen, die zur Vermeidung von Dröhnen unbeding bedämpft werden wollen.

 

Gehäuse:

 

Dies könnte man durch massivem Einsatz von Dämpfungsmaterial bewerkstelligen. Bernd Timmermanns, seines Zeichens Herausgeber und Redakteur der Zeitschrift HOBBY-HiFi, vertritt die Meinungm dass zu starke Bedämpfung vorallem bei kleinen Tieftöner unakzeptabele Verluste im Bassbereich verursacht. Ich habe zwar bei anderen Projekten bereits positive Erfahrungen mit einer progressiven (d.h. zu den Gehäusenenden zunehmend stärker werdenden) Bedämpfung gemacht, wollte aber auch mal den Ansatz von Herrn Timmermanns ausprobieren.

Er bedämpft derartige Resonanzen öfters mit dem Einsatz eines sogenannten internen Helmhotzresonators (IHA). Dieser bildet quasi eine Box in der Box, welche über Anschluss an das eigentliche Gehäuse mit Bassreflexkanal gegenphasig zur Längsresonanz des Gehäuses schwingt und diese damit aufhebt. Das Zusatzvolumen wird mit Dämpfungsmaterial ausgefüllt, um die Güte des Resonators zu verringern und damit seinen Einsatzbereich etwas breitbandiger zu gestalten. Die Formeln zu Berechnung eines derartigen Resonators sind in HOBBY-Hifi Ausgabe 01/2011 zu finden. In der Darstellung rechts ist die Umsetzung im vorgestellten Lautsprecher skizziert. Dabei entspricht das mittlere Fach dem IHA, welcher mit dem eigentlichen Gehäuse über eine kreisrunde Fräsung bzw. Bohrung in Verbindung steht. Der Bereich darunter ist ein Weichenfach und hat keine direkte Verbindung zum aktiven Volumen. Der IHA wird relativ stark verdichetem Sonofil zugestopft. Aus einigen HOBBYHifi Bauvorschlägen habe ich hier eine Dichte von im Mittel etwa 15g Sonofil pro Liter Absorbervolumen errechnet. Wobei dieser Wert schwankt.

Chassis:

 

In dem Bauvorschlag kommen zwei Tiefmitteltöner des Herstellers Tang Band (W4-657) und ein Hochtöner aus dem Hause Timphany (ursprünglich als Vifa HT NE 250 eingeführt und Mittelweile unter dem Label Peerless als NE25-VTC vermarktet). Nachfolgende Messung zeigt den Hochtöner und den oberer TMT ungefiltert im Gehäuse. Gemessen wurde dabei auf der Höhe des Hochtöners aus 1m Entfernung.

Der Tieftöner zeigt eine massive Metall-Resonanz bei 9 kHz., die auch deutliche Auswirkung auf das Verzerrungsverhalten des Chassis hat. Eine Anwendung als Tiefmittel- bzw. Mitteltöner ist so nur bei Einsatz akribischer Maßnahmen bei der Filterung empfehlenswert. Eine Trennung bei 2,5 kHz ist mMn das höhste der Gefühle.


Der Hochtöner zeigt im Mittel- und Hochton ein relativ gleichmäßige Übertragungsverhalten. Durch die abgeschrägten Seiten der Schallwand kommt es bei erst bei 7 kHz zu ausgeprägteren Kantendiffraktionseffekten und es bildet sich auf der 0°-Achse eine korrespondierende Senke aus. Unter Winkel ist der Diffraktionseffekt dank der Schrägen deutlich entschärft (siehe Messungen weiter unten) und liegt nicht mehr vorwiegend im empfindlichen Stimmbereich, weswegen diese Maßnahme insgesamt doch empfehlenswert erscheint. Da bei 9 kHz bereits die Bündelung des Hochtöners eingesetzt hat, ist der Schalldruckanstieg unter Winkel jedoch vergleichsweise gering.


Weiche:

Die Filternetzwerk ist als 2,5-Wege-Weiche ausgelegt. Der 0,5te Weg (Tieftöner) bekommt hier keinen eigenen Zweig, sondern ist mit der ersten Spule in Reihe geschalten. So realisiert man eine vergleichsweise hohe Gesamtinduktivität mit zwei vergleichweise kleinen Spulen bei noch homogenen Phasenverlauf.

 

Es stellt sich eine Trennfrequenz von etwa 2,5 kHz ein. Der Tiefmitteltöner induziert mit seiner massiven Resonanzspitze bei knapp 9 kHz enstprechend bei 3 und 1,8 kHz deutliche K3 und K5-Klirspitzen. Um diese zu entschärfen wird nicht nur relativ steil getrennt, sondern durch einen kleinen Parallelkondensator zur ersten Tieftonspule die Resonanz in beiden Tönern nochmals deutlich gedämpft.

Der Hochpass ist elektrisch betrachtet einem Filter 2. Ordnung, bildet aber akustisch eine annähernde LR4-Charakteristik aus. Die abgeschrägten Kanten zeigen einen deutlichen Einfluss auf das Übertragungsverhalten der Kalotte, was sich in der zuvor angesprochenen Senke bei 7 kHz äußert. Der Hochpass verstärkt diesen Effekt leider noch zusätzlich. Um dem entgegenzuwirken wird mit einem LCR-Glied ein elektrischer Bandpass, welcher den Serienwiderstand überbrückt, geschaffen. In dem Frequenzbereich wird somit die Impedanz abgesenkt und der Schalldruck bei gleicher Verstärkerspannung erhöht. Mit dem Ergebnis, dass die Lücke zwischen 6 und 8 khz ziemlich gut aufgefüllt wird.


Da dies so gut funktionierte, wurde der bei großen Kalotten oft auftretende frühe Abfall im Superhochton mit dem gleichen Mittel kompensiert. In der nachfolgenden Darstellung stellt die rote Kurve den Summenfrequenzgang ohne die Bandpässe dar, während die blaue Kurve die Messung der endgültigen Weiche zeigt.

Die nachfolgende Animation zeigt den Einfluss des Tiefpasses auf das Klirrverhalten der beiden Tang Band Chassis in Summe bei 2,8 V. Gemessen wurde auf Höhe des Hochtöners in 1 m Entfernung. Das erste Bild zeigt den Klirr im unbeschalteten Zustand,- das Zweite mit oben beschriebener Filterung. Der frühe Frequenzgangabfall im unbeschalteten Zustand resultiert aus dem vertikalen Winkel. Auf Achse zeigt der W4-657 bei 2,8V einen K3 Klirrwert von fast 3% (-30db zum Bezugspegel), was man auch deutlich vernehmen kann.

Der Filter reduziert die Klirrspitze auf etwas über 0,3% (in Relation zum 0°-Pegel) und durch die Bafflestep-Kompensation sinken auch die Verzerrungen im Mitteltonebreich.

Auch im Klirrdiagramm des Gesamtsystem (weiter unten) ist das Abbild des Resonanzpeaks weiterhin in Form des kleinen Hügels auszumachen.

Messungen:

 

Nachfolgend die Summenmessung des rechten Lautsprechers mit gemergeder Nahfeldmessung sowie der Messung des Bassreflexrohrs. Insgesamt stellt sich ein leicht fallender Frequenzgang ein, der sich bei der hörtechnischen Abstimmung als vorteilhaft heraus stellte. Das Resonanz des Bassreflexrohr's um 1300 Hz wird erstaunlich wenig angeregt. Wie genau das zu erklären ist, erschließt sich mir zu diesem Zeitpunkt nicht ganz. Evtl. hängt es irgendwie mit seiner Position unterhalb des Tieftöners zusammen.

Die nächste Abbildung zeigt den Summenfrequenzgang der linken Box ohne Nahfeldmessung bei gleichen Messbedingungen - gute Paarübereinstimmung!

// Impedanzgang. Hohe zweite BR-Spitze. Längliches Minimum// Messung mit Bandpass ergänzen//

In der untenstehenden Klirrmessung des Summenfrequenzgangs ist der K3-Klirr bei 2 kHz geringfügig über 0,3 % und damit über der Hörbarkeitsschwelle. Ansonsten bei mittlerem Pegel gute Klirrwerte an oder unter der Hörschwelle.

Die nächste Darstellung zeigt die Winkelfrequenzgänge von 0-90° in10°-Schritten auf Höhe des Hochtöners. Man erkennt, dass bei der mit der Gehäusebreite korrespondierende Diffraktionsstelle um 4 kHz dank der Fasen nicht wie üblich die Winkelfrequenzgang über 0° Linie ansteigen. Die zweite Difraktionsstelle bei 7kHz stammt von der Gehäuseoberkannte. Die Diffraktionswirkung der seichte Fasenkannten der Schräge verteilt sich zwischen 10 und 12 kHz.


Die energetische Senke zwischen 2 und 3 kHz ergab sich wiederrum aus Hörtest. Sobald der Tiefmitteltöner hier zum Auffüllen der Lücke flacher gefiltert wurde, nahm das Klangbild einen leicht harschen Charakter an. Es war relativ klar, dass es sich dabei um ein Verzerrungsproblem handelt. Die leichte Senke in diesem Bereich kompensiert das Problem recht gut, auch wenn dardurch das letzte bisschen tonale Balance nicht erreicht werden kann.

Eine tiefere bzw. flachere Trennung des Hochtöner erwies sich aufgrund dessen stark ansteigenden Verzerrungswerten unterhalb von 2 kHz ebenfalls nicht als zielführend. Wie bereits angedeutet sind die hier verwendeten Chassis nicht ganz einfach und bedürfen besonderer Aufmerksamkeit. Nach zig durchexerzierten Weichenversion stellte diese Variante letztendlich den bester Kompromiss dar, mit dem ich auch sehr gut leben kann.

Winkelfrequenzgänge 0 - 90° in 10° Schritten
Winkelfrequenzgänge 0 - 90° in 10° Schritten

Anbei das Sonogramm der eben gezeigten Winkelmessung in der üblichen 30dB Skalierung.

Aufgrund der breiten Abstrahlung sieht man hier nicht mehr allzuviel. Löst man das Diagramm wie nachfolgend geschehen mit nur noch 15 dB Breite auf, erkennt man wieder die zuvor angesprochene Energiesenke bei 2kHz sowie die leichte Welligkeit im Mitteltonbereich. Die bei 1zoll/6zoll-Kombies typische massive Aufweitung bei Einsatz des Hochtöners, der dann in der Regel noch mit typischen Kanteneffekten koaliert, sucht man hier dank kleiner Chassis und Diffraktionskontrolle  vergebens.

Das ganze nachfolgend nochmal auf die 0°-Linie normiert. Tonal hat das wenig Aussagekraft, da keine Aussage über die absolute Energieabgabe an den Raum gemacht werden kann, jedoch sind hier Sprungstellen im Bündlungsmaß der Chassis und Diffrakationseffekte der Gehäusegeometrie besonders gut zu erkennen.

Aufbauanleitung:


Das Gehäuse wird aus 16mm starken MDF oder Multiplex aufgebaut. Der IHA wird durch eine 35mm Lochkreisbohrung wie in der nachfolgenden Zeichnung umgesetzt. Der IHA funktioniert nur im angepeilten Frequenzbereich, wenn an dieser Stelle tatsächlich eine Materialstärke von 16mm eingesetzt wird.

Die Ausschnitte der Tiefmitteltöner sind rückseitig mit einem Radius oder eine Fase aufzuweiten

Die Schrägen an der Schallwand sind wie folgt auszuführen, andernfalls werden die zuvor beschriebenen Korrekturenglieder der Frequenzweiche nutzlos bzw. kontraproduktiv.

Das Gehäuse wird an Seiten und Rückwand mit Bondum 800 von Intertechnik ausgekleidet. Um hier ein späteres Verrutschen zu verhindern, wurde das Dampfungmaterial angetackert. Der IHA ist mit ca. 15g Sonofil auszustopfen. Das Material darf dabei nicht in die Lochbohrung ragen.

Die Kabeldurchführungen wurden mit Dichtmasse und Heißklebel luftdicht gemacht (Bild Mitte). Bei Anbringen der Schallwand ist darauf zu achten, dass auf der Innenseite eine durchgängige Leimfuge besteht, sonst könnten Undichtigkeiten auftreten (Bild rechts).

Fazit:

 

Die Diffraktionskontrolle mit den angeschrägten Fasen hat in diesem Projekt nur mäßig gut funktioniert und musste dann mit einem etwas unkonventionellen Ansatz im Weichendesign begradigt werden. Das klappte erstaunlich gut und könnte zukünftig bei oft auftretenden Problemen, wie im Superhochton zu früh abfallenden Hochtöner, genutzt werden. Auch erstaunlich gut funktioniert hat das Gehäusekonzept mit IHA. Die Box erzeugt ein für zwei Vierzöller erstaunlich gutes Fundament. Ein Rätsel ist auch die äußerst geringe Anregung der Resonanz des Bassreflexrohrs. Möglicherweise hat das etwa mit der Position des Rohrs unterhalb des 0,5ten Zweigs zu tun, vielleicht mit der Nähe zum IHA? Hier müssen weitere Versuche zeigen, ob sich das auch auf andere Gehäusetypen übertragen lässt.

 

Wie schon frühere, hier nicht dokumentierte Versuche erahnen ließen, ist der W4 657 nicht der beste Mitteltöner. Insgesamt ließ sich aber durch den leicht fallenden Frequenzgang ein trotzdem geschlossenes Klangbild erzeugen.

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